Aufgrund von Ebola und anderen
Umständen habe ich es doch tatsächlich erst in meiner vierten Woche
hier geschafft, nach Kampala zu kommen. Dabei ist Kampala gar nicht
so weit weg von Entebbe. Am Freitag haben wir uns um 10 auf den Weg
gemacht. Esther, Rebecca, Marcella und mir stand eine ganz neue
Erfahrung und irgendwie auch ein Abenteuer bevor. Zum Glück war
Tabea dabei, sie kennt das ja alles schon. Kampala ist nämlich echt
nichts für schwache Nerven. Und das sage ich nicht nur, weil ich
Dorfkind bin.
Mit dem Matattu kann man direkt von
Entebbe über die Mainroad nach Kampala durchfahren. Dabei ist
„durchfahren“ wohl eher relativ – alle paar Minuten stoppt das
Taxi und Leute steigen aus, bzw. neue ein. Wir hatten das Glück, die
Plätze in der letzten Reihe zu ergattern, weshalb wir nicht dauernd
für andere Mitfahrer aus- und einsteigen mussten. Dazu muss man
vielleicht wissen, dass Matattus hier in der Regel immer randvoll mit
Menschen gepackt werde, bevor sie losfahren. Da ist so ein kleiner
Bus dann ganz fix mal mit 16 oder 17 Leuten vollgepackt. Manchmal
zusätzlich mit einer Menge Gepäck. Zählt man die Kinder dazu, die
auf dem Schoß ihrer Mutter sitzen kommt man sogar auf bis zu 20
Leute. Aber das ist für mich eigentlich schon nichts neues mehr. Der
Taxipark in Entebbe ist nur 5 Minuten von meinem Zuhause entfernt,
weshalb ich oft mit dem Taxi statt dem Bodaboda in die Stadt fahre.
Das kostet dann ungefähr 17 Cent pro Fahrt. Die Hinfahrt nach
Kampala kostet ungefähr 85 Cent. Verdammt wenig, wenn man bedenkt,
dass man mindestens eine Stunde unterwegs ist. Eine Stunde Fahrt ist
übrigens echt der Optimalfall. Anne hat erzählt, dass sie für die
Rückfahrt von Kampala nach Entebbe auch schon mal 6 Stunden (!)
gebraucht hat. Das ist immer abhängig vom Verkehr und der Zeit, zu
der man hin bzw. zurück fährt.
So saßen wir 5 also um 10 Uhr morgens
im Matattu auf dem Weg nach Kampala. Schon auf dem Weg war der Himmel
fast schwarz und die ersten Tropfen ließen nicht lange auf sich
warten. Als wir ankamen, lag ein grauer Dunst über der Stadt,
„Willkommen in Kampala!“. Ich hatte mich schon in Entebbe daran
gewöhnt, dass Verkehrsregeln – sofern es sie überhaupt gibt –
eigentlich nie beachtet werden. Weder von Matattus, noch von Autos,
noch von Bodas, noch von Radfahrern und von Fußgängern sowieso
nicht. Man hat immer das Gefühl, dass jeder einfach geradeaus dahin
geht oder fährt wo er hin will. In Entebbe ist das ja noch harmlos.
In Kampala hat man ständig das Gefühl, dass es in den nächsten
Sekunden einfach krachen muss, so eng wie da alle aneinander
vorbeifahren. Das war auch eine der ersten Sachen die mein Gastvater
mir hier ans Herz gelegt hat: Warte immer bis die Straße frei ist,
hier bremst keiner, auch nicht für Fußgänger.
In Kampala angekommen, dauerte es noch
ca. 15 Minuten, bis wir am Old Taxi Park waren. Währenddessen wurde
der Regen stärker. Plötzlich war die ganze Stadt in Bewegung. Alle
rannten irgendwo hin und versuchten ihr Hab und Gut vor dem Regen zu
schützen. Das sah einfach nur so verrückt aus. Und trotz heillosem
Durcheinander hatte man das Gefühl, dass alles irgendwie einfach
funktioniert und jeder weiß was er tun muss bzw. wo er hin rennt.
Auch wir rannten mehr oder weniger vom Taxi Park zu einer nahe
gelegenen Tankstelle um uns vor dem immer stärker werdenden Regen zu
schützen. Die Straßen waren relativ schnell überflutet, einfach
aus dem Grund, weil die Menschen hier ihre ganzen Abfälle entweder
verbrennen oder in die Kanalisation werfen. Alles war also
überschwemmt von einer braunen Brühe. Wir hatten das Glück,
rechtzeitig in das Verkaufsgebäude der Tankstelle zu gelangen,
später wurden keine mehr reingelassen. Das Bild, dass sich uns beim
Blick auf die Tankstelle bot war einfach nur verrückt. Etliche
Bodabodafahrer, Frauen mit Kindern und Menschen jeden Alters
versammelten sich um die Zapfsäulen um Schutz zu suchen. Ein riesen
Gewimmel. Bis plötzlich ein großer, grüner Bus die Tankstelle
anfuhr um zu tanken. Das Gewimmel wurde immer größer, Menschen
mussten Platz machen, einige Männer wiesen den Busfahrer an vorwärts
zu fahren, obwohl Menschen direkt vor dem Bus standen. Aber wie immer
hier regelte sich alles irgendwie von alleine. Nach ca. 1 Stunde in
der Tankstelle wurde der Regen weniger und der Chef der Tankstelle
(oder sowas ähnliches, zumindest hat er sich ziemlich wichtig
gemacht) wollte uns persönlich zu einem ugandischen Restaurant
führen, weil Rebecca und Marcella ugandisch essen wollten. Sie
wussten tatsächlich nicht was Posho ist, dieser nach nichts
schmeckende Reisbrei, den es hier fast jeden Tag gibt. Das erste
Restaurant hatte glaub ich leider nur Pommes, weshalb uns der
Tankstellenchef zu einem anderen führte. Quer über die Straße,
zwischen hunderten Matattus, Bodabodas und Menschen ging es zu einem
großen Klamottenladen. Wir wurden ständig angequatscht mit „Hey
Muzungu we make good prices“ und „Hey my friend, you want to buy
something“. Die Marktschreier und Verkäufer hier machen ihren Job
echt gut. Auch wenn es mittlerweile manchmal wirklich nervt, ständig
angequatscht zu werden. Das ugandische Restaurant befand sich im
dritten Stock eines Hochauses. Da ziemlich wenig los war, konnten wir
uns auf den Balkon setzen und das Treiben auf der Straße von oben
betrachten. Das wurd auch nach einer halben Stunde nicht langweilig.
Ugandisch Essen musste ich ja nun wirklich nicht, das kann ich jeden
Tag Zuhause, deshalb hab ich mich mehr aufs Gucken und Leute
beobachten konzentriert. Von oben sah das Verkehrschaos noch viel
beeindruckender aus. Die Kellnerin im Restaurant hat mehr als das
Doppelte für das Essen verlangt, als es hier in Entebbe kostet. Und
normalerweise ist in Kampala alles noch günstiger. Hier wählt man
beim Essen die Sauce (Chicken, Beef, Goat oder Fisch mit Sauce) und
kann dann dazu so viel Reis, Chapati (herzhafte Pfannekuchen, die man
auch an jeder Straßenecke für ca. 17 Cent kaufen kann), Matoke
(Kochbananen-Matsche) oder Posho ( der Maisbrei, der nach nichts
schmeckt) haben. Die Teller sind immer so richtig vollgepackt, wenn
man nicht gerade ganz viel Hunger hat, schafft man die Portionen
kaum. In Entebbe zahlt man für so eine Portion ca. 1 Euro. Aber die
meisten Ugander versuchen bei Weißen höhere Preise zu verlangen,
weil sie wissen (oder eher denken), dass wir Weißen alle ganz viel
Geld haben. Das ist aber eigentlich überall so. Deshalb ist es immer
gut, zu wissen, was Ugander für bestimmte Lebensmittel bezahlen, um
nicht über den Tisch gezogen zu werden.
Nach dem Essen sind wir mit 3 Bodabodas
zum Women's Craft Market gefahren. Auch hier musste Tabea erstmal mit
mehreren verhandeln, um einen fairen Preis zu bekommen. Die Fahrt
dorthin war ein echtes Abenteuer. Rebecca ist mit Marcella auf einem
Boda gefahren, Esther mit mir und Tabea alleine. Nach ca. 5 Minuten
Fahrt hatten wir uns schon alle verloren. Zum Glück hatten alle 3
Bodas das gleiche Ziel. Ich war froh, Esther bei mir zu haben – der
Bodafahrer ist so unglaublich halsbrecherisch gefahren, dass ich a)
jeden Moment damit gerechnet haben, dass wir entweder einen anderen
Boda oder ein Taxi crashen oder b) kopfüber vom Motorrad fallen.
Dieses Fahrverhalten, was bei uns in Deutschland sofort
strafrechtlich verfolgt werden und zum Entzug des Führerscheins
führen würde, ist hier aber ganz normal. Da muss man sich einfach
dran gewöhnen. Aber ganz ehrlich gesagt macht es irgendwie auch echt
Spaß da durch die Straßen zu heizen. Hat was von einer
Achterbahnfahrt. Es gibt übrigens sogar funktionierende Ampeln in
Kampala. Die sind aber glaub ich mehr zur Zierde da. Und Polizisten
gibt es auch. Die stehen dann da in weißen Anzügen mit Uniformmütze
und Trillerpfeife und wollen ganz wichtig wirken während sie da
rumpfeifen. Ich hatte aber eher den Eindruck, dass es kein Schwein
juckt. Hier haben auch nur ein paar wenige Bodabodas überhaupt eine
Lizenz zum Bodafahren. Nämlich die, die gelbe oder orange Warnwesten
tragen. Liebe Mami, zu deiner Beruhigung: Dennis, der mich jeden Tag
zum Malayakahaus und auch sonst wo hin fährt, hat so eine ;-)
Letztens sind wir aber auch schon zu viert mit nem anderen Boda zum
Strand gefahren. Hab dann direkt einen kleinen Anschiss von meinem
Gastvater bekommen, der meinte zu zweit wär ja okay, aber zu dritt
müsste echt nicht sein. War aber lustig, und die Strecke war ja auch
nicht lang.
Nach ca. 10 erlebnisreichen Minuten auf
dem Boda durch Kampala haben wir uns alle wieder am Craft Market
getroffen. Craft bezeichnet hier alles, was handgemacht ist. Das
heißt geschnitzte Masken, Kochlöffel, Armbänder, Sandalen,
Taschen, afrikanische Skulpturen, und was man sonst noch so alles als
Souvenier mit nach Hause bringt. Der Markt ist einfach nur ein Traum.
Hätte Stunden da verbringen können. Für's Erste habe ich aber nur
eine Tasche (für 3 Euro), Sandalen und eine kleine Schildkröte aus
Holz gekauft. Esther und ich haben schon gesagt, dass wir da in
unseren 5 Monaten wohl echt ne Menge Geld lassen werden, auch wenn
alles so günstig ist. Aber alleine wenn ich an all die Leute Zuhause
denke, denen ich eine Kleinigkeit mitbringen will :-) Zum Glück ist
der Craft Market immer nur Freitags, so bleiben mir schon nur noch 18
Tage, an denen ich ausgiebig dort shoppen kann.
Nach 2 Stunden Craft Market sind wir
per Boda zum Supermarkt Shoprite gefahren. Der ist wohl ziemlich
bekannt, weil es da wirklich alles gibt. Falls das Heimweh also mal
ganz groß werden sollte, fahre ich da einfach hin und decke mich mit
Haribo und Snickers ein, dann ist alles nur noch halb so schlimm :-)
Heute haben wir uns außerdem noch super leckere Schokomuffins für
umgerechnet ca 30 Cent gegönnt. Sooooooo gut! Und Mangosaft hab ich
noch gekauft. Ebenfalls sehr lecker und gut zum Mischen, denn das
Wasser hier schmeckt nicht wirklich immer gut (auch wenn viele
meinen, dass es zwischen Wasser und Wasser keinen Unterschied gibt –
ich sag euch den gibt es, kommt nach Uganda und ihr werdet es selbst
merken ;-))
Nach 5 Stunden Kampala hatten wir dann
aber auch die Nase voll und haben den Weg zurück zum Taxi Park
gesucht. Wieder mal war ich froh, Tabea dabei zu haben. In Kampala
werde ich mich wohl nie zurecht finden. Das fällt Tabea selbst nach
9 Monaten manchmal noch schwer, sagt sie.
Als wir im Taxipark dann im Matattu
saßen, kamen etliche Jungs an die Fenster um uns Sachen zu
verkaufen. Überwiegend kalte Getränke, aber auch Kekse, Seife oder
Taschentücher. Das ist ein bisschen wie im Drive-In, nur anders rum.
Man sitzt in einem stehenden Auto, während die Verkäufer ankommen,
um ihr Zeugs loszuwerden.
Fran, einer der Spanier, hatte Esther
vorher gesagt, wir sollten vor 14 Uhr zurückkommen, da wir sonst in
die Rushhour kommen würden. Die war auch da, aber irgendwie war
alles nur halb so wild. Der Verkehr stand fast nie komplett,
irgendwer konnte immer fahren. Tabea hat den Verkehr hier mit einem
Puzzle verglichen. Und das passt einfach perfekt.
Nach nur einer Stunde waren wir schon
wieder zurück in Kampala. Esther ist dann noch mit zu mir nach Hause
gekommen und wir haben Mangosaft getrunken und von der Straßenecke
auf dem Markt hier in Kitoro Samosas (frittierte Teigtaschen) und
ganz ganz trockenen Kuchen gegessen.
Das war also Kampala. Jetzt bin ich um
einige Eindrücke und Erfahrungen reicher, hundemüde und ich weiß,
dass das auf jeden Fall nicht mein letztes Mal in Kampala war, auch
wenn die Stadt auf manche Touristen durchaus eine abschreckende
Wirkung haben mag.